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Der Krieg in Syrien und im Irak: Wohin führt die linke Debatte?

rli jour fixe mit Doris Achelwilm, Cindi Tuncel, Mizgin Ciftci, Norbert Schepers und anderen
Mittwoch, 03. Dezember 2014, um 18:30 Uhr
Rosa-Luxemburg-Stiftung Büro Bremen, Breitenweg 25, 28195 Bremen – Mit Anmeldung!

Der Krieg im Irak und in Syrien ist der Ausgangspunkt für eine Reihe von politischen Auseinandersetzungen, welche innerhalb der deutschen und der internationalen Öffentlichkeit geführt werden. Die Vernichtungskampagne des Islamischen Staates, (nicht nur, aber insbesondere) gegen die kurdische und yezidische Bevölkerung im Irak und in Syrien wirft viele Fragen auf: Zum Konflikt selbst, zu seinen Hintergründen und natürlich zum Umgang damit – auch für die Linke insgesamt. Dieses Arbeitstreffen im Rahmen unseres jour fixe (begrenzte Teilnehmendenzahl mit Anmeldung) soll versuchen, die unterschiedlichen mit diesem Krieg zusammenhängenden Fragen etwas zu sortieren und zu sichten, und einen ersten gemeinsamen Überblick zu gewinnen, an welchen Stellen Diskussions- und Informationsbedarf besteht. Gerne können auch erste Ideen zur Umsetzung in Veranstaltungen und andere Projekte gemacht werden.

Syrien & Irak: Global War on Terrorism reloaded?

Während der globale Krieg gegen den Terrorismus nach dem Scheitern des Arabischen Frühlings in mehreren Ländern in eine neue Runde geht, hat sich die Organisation Islamischer Staat im Irak und in Syrien (ehemals ISIS) sich zu etwas Neuem transformiert: Von einer kleinen, radikalislamistischen Gruppe die 2003 am Aufstand gegen die Besatzung des Irak teilnahm, zur wohl erfolgreichsten und mächtigsten dschihadistischen Organisation der Welt; mehr transnationale Aufstandsbewegung als klassische Terrorgruppe. Der Islamische Staat hat seinen Ursprung im Al-Qaida-Netzwerk in verschiedener Hinsicht längst hinter sich gelassen, kontrolliert nun erhebliche Gebiete im östlichen Syrien und im westlichen Irak und ist dabei, tatsächlich so etwas wie einen islamischen Staat nach seiner Vorstellung zu schaffen, die Keimzelle eines neuen Kalifats.

Wer über Maßnahmen gegen den Islamischen Staat reden möchte, sollte nicht vergessen, dass der weltweite Antiterrorkrieg bereits seit über 13 Jahren geführt wird. Fast alle Länder, in denen dieser Krieg besonders intensiv geführt wurde, stehen heute näher am Abgrund als zuvor: Irak, Pakistan, Somalia, Yemen und auf andere Art auch Lybien, Syrien und teilweise Ägypten. In Afghanistan bleibt der imminente Abzug der NATO abzuwarten, die Rückkehr der Taliban hat allerdings längst begonnen.

Die Beschäftigung hiermit bzw. die Aufarbeitung der Geschichte des Antiterrorkrieges, sowie natürlich dessen Vorgeschichte, kann als eine wesentliche Grundlage für eine Auseinandersetzung mit der aktuellen Lage im Nahen und Mittleren Osten angesehen werden.

Öffentliche Debatte und linke Bildungsarbeit sollten ebenso leisten, einen Überblick über die Ereignisse, Hintergründe und Akteure herzustellen und mit entsprechenden Bildungsangeboten aufzuarbeiten, welche gesellschaftlichen Entwicklungen zu diesen Konflikten hinführten und welche Kräfte und Interessen sich jeweils gegenüberstehen. Monokausale, pauschalisierende und auf Ressentiments basierende Erklärungsmuster sollten dabei abgebaut werden. Teil der Aufklärungsarbeit sollten ebenso Informationen über die Kurden und die Yeziden sein, Anknüpfungspunkte hierfür sind die lokalen migrantischen Communities.

Wohin führt die linke Debatte?

Wie kann und soll dem Islamischen Staat begegnet werden? Wie will die Linke den Opfern des Islamischen Staates helfen und beistehen? Unter welchen Bedingungen sind Linke dann doch für Interventionen und Einsatz militärischer Mittel bzw. Waffenlieferungen? Oder sollte es bei den Debatten, die auf die Kämpfe um Shingal und Kobane folgten, nicht eher um Selbstverteidigung und Hilfe zur Selbsthilfe gehen?

Generellere Folgerungen richten völlig zu Recht den Blick auf die UNO: Wie bringen wir Völkerrecht, Rule of Law und legitime internationale Institutionen „zurück ins Spiel“? Ist die Schlacht um Kobane aber der geeignete Ausgangspunkt? Wird der Verweis auf die UN und die Koppelung jeglicher politischer Initiative an einen Beschluss des UNSC nicht zur puren Fundi-Ideologie, wenn Linke doch sonst strömungsübergreifend das Scheitern der internationalen Mechanismen feststellen und genau wissen, es wird im Sicherheitsrat keinen substantiellen Beschluss hierzu geben? Was sind Vorschläge zur Reform der UNO, und wo sind die Initiativen der Linken dazu?

Was sind die sicherheitspolitischen Vorstellungen, mit denen die Linke den Phänomenen wie dem globalen Dschihadismus, dem internationalen Terrorismus und (teilweise neuen) Entwicklungen wie dem Islamischen Staat (transnationale Aufstandsbewegung) und daraus resultierenden, asymmetrisch geprägten Auseinandersetzungen begegnen will?

Haben die großen Lager innerhalb der Linken eine der globalen Realität adäquate Antwort anzubieten? Derzeit wohl kaum; und es ist zu befürchten, dies ist auch bei keiner der Strömungen in der Linkspartei der Fall. Eine programmatische Debatte, die dies zumindest ein Stück weit aufzuheben vermag, hätte das Potential, für neue Gemeinsamkeit in einer Frage zu sorgen, welche ihrerseits ebenso das Potential hat, das linke Spektrum insgesamt und auch die linke Partei, noch tiefer als zuvor und erneut aufzuspalten.

Da der globale Krieg gegen den Terror einfach nicht aufhören will und die transnationale, dschihadistische Aufstandsbewegung eine virale Dynamik erfährt, deren Ende nicht absehbar ist, wird die Schwäche der Linken durch Abwarten nicht vorbei gehen, sondern weiter zunehmen.

Mitwirkende:

  • Doris Achelwilm ist Bremer Landessprecherin der Partei DIE LINKE.
  • Cindi Tuncel ist Mitglied der Bremischen Bürgerschaft, Fraktion DIE LINKE.
  • Mizgin Ciftci ist Jugendreferent der Yezidischen Gemeinde Osterholz-Scharmbeck.
  • Norbert Schepers ist Leiter des Bremer Büros der Rosa-Luxemburg-Stiftung.
  • Weitere Akteure aus der Bremer Linken sind eingeladen.

Das Flugblatt zur Veranstaltung 141203 jour fixe IS-Krieg als PDF zum Download.

Folgenden Text empfehlen wir zur Vorbereitung der Veranstaltung:
Norbert Schepers: Was folgt aus dem Krieg im Irak und in Syrien für die Linke?
(Der Ankündigungstext zu dieser Veranstaltung ist eine kürzere Version hiervon.)

Update – Veranstaltungsbericht: Der Krieg in Syrien und im Irak – Wohin führt die linke Debatte? Paloma Quinteros war am 3. Dezember 2014 dabei und hat Ausschnitte aus der Diskussion und weiterführende Fragen notiert.

Eine Veranstaltung der Rosa-Luxemburg-Initiative – Die Rosa-Luxemburg-Stiftung in Bremen im Rahmen des »rli jour fixe«:

  • Der rli jour fixe findet in loser Folge im Regionalbüro Bremen der Rosa-Luxemburg-Stiftung statt.
  • Fester Tag: Mittwochs, um 18:30 Uhr.
  • Entsprechend dem Konzept hat der rli jour fixe eine Begrenzung für die Anzahl der Teilnehmenden: Etwa zehn angemeldete TeilnehmerInnen, plus Gast bzw. ReferentIn und Moderation. Viel mehr Teilnehmende passen leider auch nicht in unseren Seminarraum.
  • First come, first served: Wir bitten um verbindliche Anmeldung per Mail an jourfixe@rosa-luxemburg.com (oder über unser Büro). Wir versenden per Mail eine Anmeldebestätigung, oder eine Absage, falls bereits alle Plätze belegt sind.
  • Kontakt und Nachfragen: Der rli jour fixe wird von Norbert Schepers (RLS) betreut.

Briefe Bremer Arbeiterfamilien aus dem Ersten Weltkrieg

Die Pöhlands, Eildermanns, Henkes und Kniefs im Krieg…
Lesung der Briefe durch den Schauspieler Rolf Becker aus Hamburg
Einführung und Hinweise durch Karl-Heinz Roth und Jörg Wollenberg
Dienstag, 11. November, um 17 Uhr
Villa Ichon, Goetheplatz 4, 28203 Bremen

Im Rahmen der „Dämmerstunde über Vergessenes und Verdrängtes„:
1914-2014: 100 Jahre Erster Weltkrieg – 75 Jahre Zweiter Weltkrieg.
Veranstaltungsreihe mit Vorträgen, szenischen Dokumentationen und Lesungen im Herbst 2014

Keine Hochstimmung war zu vernehmen, als der 17 Jahre alte Wilhelm Eildermann von seinen älteren Brüdern Fritz und Louis sich auf dem Bremer Hauptbahnhof verabschiedete, die in den Krieg zogen. Die zu Beginn des Weltkriegsbrandes zunächst vorherrschende Kriegsbegeisterung war in Bremen lediglich in den bürgerlichen Kreisen zu vernehmen. Gegen das Wettrüsten und Militarismus eingestellt, erschütterte ihn zutiefst, dass wenige Tage später, am 4. August 1914, die Reichstagsfraktion seiner Partei die Kriegskredite bewilligte und zugunsten der „Burgfriedenspolitik auf Lohnkämpfe und Antikriegsdemonstrationen verzichtete. Er hatte zuvor an den überfüllten Protestversammlungen in den Bremer Stadtteilen teilgenommen. „Nieder mit dem Krieg-Massen heraus“, verkündete das Flugblatt der noch geeinten Sozialdemokratie. Das Lied der Arbeiterjugend  „Dem Morgenrot entgegen. Ihr Kampfgenossen all!“, von seinem älteren Bruder Heinrich als „Lied der Jugend“ 1907 verfasst, erstarb nach dem 4. August 1914 nicht nur auf seinen Lippen, Auch seine älteren Freunde Johann Knief und Alfred Henke, der Reichstagsabgeordnete und Chefredakteur der Bremer Bürger-Zeitung, waren wie gelähmt. Und die Jüngeren wie der Maurer Robert Pöhland und seine Frau Anna wurden wegen ihrer  Kritik an der Anpassungspolitik der SPD-Führung und des Gewerkschaftsvorstands als „Quertreiber“ denunziert. Als der Vater von fünf Kindern im Juli 1915 in den Krieg ziehen musste, vermutete seine Frau, dass er das einer „Denunziation unserer Gewerkschaftsbürokraten“ zu verdanken habe. Bis zu seinem Tode m Oktober 1916 an der Westfront schrieben sich beide fast täglich. Dieser Briefwechsel, herausgeben von Doris Kachulle, gehört zur proletarischen Widerstandsliteratur gegen den Krieg. Nicht nur die Gefahren an der Front, auch die Sorgen in der Heimat kommen zu Wort. Probleme wie humane Kindererziehung im Krieg oder Themen wie Kunst und Literatur werden berührt.

VeranstalterInnen DGB, IG Metall, Arbeit und Leben, Stiftung für Sozialgeschichte des 20. Jahrhunderts, MASCH Bremen, Rosa-Luxemburg-Initiative u.a.

Flyer zur gesamten Dämmerstunde-Veranstaltungsreihe zu 100 Jahre Erster Weltkrieg (PDF).

Monatsprogramm November und Dezember 2014

Das neue Monatsprogramm der Rosa-Luxemburg-Initiative für November und Dezember 2014 ist soeben erschienen. Gedruckt liegt es ab dem 30.10. vor, hier bereits als PDF zum Download: Monatsprogramm rli 11 & 12 2014.