Politische Ökonomie heute

Verleihung des Jörg-Huffschmid-Preises 2021
Freitag, 12. November 2021, um 17 Uhr in Bremen

Haus der Wissenschaft, Sandstr. 4/5, 28195 Bremen

Marie GrasmeierMadelaine Moore und Simon Schaupp werden für ihre hervorragenden Dissertationen in den Sozialwissenschaften mit dem diesjährigen Jörg-Huffschmid-Preis ausgezeichnet. Die Auszeichnung im Gedenken an das wissenschaftliche Werk und gesellschaftspolitische Engagement des 2009 verstorbenen Bremer Ökonomen Jörg Huffschmid wird alle zwei Jahre durch die Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik, Attac Deutschland, die EuroMemo-Gruppe und die Rosa-Luxemburg-Stiftung vergeben. Die Preisverleihung findet am 12. November um 17 Uhr im Haus der Wissenschaft der Universität Bremen statt.

Jörg Huffschmid

Die drei ausgezeichneten Dissertationen beeindruckten die Jury dadurch, dass sie nicht nur Transformationen des zeitgenössischen Kapitalismus analysieren, sondern zugleich auch untersuchen, wie diese subjektiv verarbeitet werden und welche Kämpfe sich innerhalb der gegenwärtigen Herrschafts- und Ausbeutungsverhältnisse entwickeln.

Marie Grasmeier hat in ihrer Dissertation die Berufskultur und die beruflichen Identitäten von Seeleuten in der globalen Handelsflotte durch teilnehmende Beobachtung untersucht, wobei ihr das Nautikstudium, das sie bereits vor ihrem Studium der Kulturwissenschaften und der Gender Studies absolviert hat, und ihre Praxis in der Seefahrt zugutekamen. Indem sie nachverfolgt, wie Seeleute – trotz der Gegenwart rassistischer, nationalistischer und geschlechtlicher Abgrenzungen in den heutzutage multinational zusammengesetzten Mannschaften – eine international verbreitete berufliche Identität entwickelt haben, macht sie zugleich deutlich, wie in tagtäglicher Arbeit auf See die Voraussetzungen für die Aufrechterhaltung der transnationalen Produktionsnetzwerke im globalisierten Kapitalismus geschaffen werden.

Madelaine Moore vergleicht in ihrer Dissertation die Kämpfe gegen die Privatisierung der Wasserversorgung in Australien und in Irland. Indem sie Ansätze der Bewegungsforschung, der kritischen politischen Ökonomie, der politischen Ökologie und der feministischen Theorie der sozialen Reproduktion verbindet, gelingt es ihr durch diese Fallstudien, grundlegende Schlüsse bezüglich der gegenwärtigen politischen Konjunktur zu ziehen. Ökonomische, ökologische und soziale Krisen werden demnach im gegenwärtigen Kapitalismus nur insoweit «gelöst», als sie in den Hintergrund treten bzw. eine Dimension der Krise durch eine andere temporär verdrängt wird. Zugleich zeigt sie, dass stets eine «reproduktive Unruhe» als Form rebellischer Subjektivität weiterbesteht.

Simon Schaupp untersucht in seiner Dissertation «Technopolitik von unten» durch mehrere Betriebsfallstudien, die auch auf teilnehmender Beobachtung beruhen, wie die algorithmische Arbeitssteuerung die Arbeitsprozesse verändert, wie die neuen digitalen Technologien von den Beschäftigten angeeignet werden und welche Momente der Selbstorganisation und des Widerstands gegen die kapitalistische Ausbeutung und Herrschaft damit verbunden sind. Er zeigt, dass die Digitalisierung kein technologisch neutraler, sich gleichsam gesetzmäßig vollziehender Prozess, sondern ständig umkämpft ist – Schaupp prägt dafür den Begriff der «kybernetischen Proletarisierung». 

Der Jörg-Huffschmid-Preis wird in diesem Jahr zum sechsten Mal verliehen. Die Preisverleihung ist Teil des Festprogramms anlässlich des fünfzigjährigen Bestehens der Universität Bremen.

Die Preisverleihung beginnt mit zwei Vorträgen von Prof. Dr. Heide Gerstenberger (Universität Bremen) und Prof. Dr. Rudolf Hickel (Universität Bremen), die beide über viele Jahre mit Jörg Huffschmid zusammengearbeitet haben. Heide Gerstenberger wird erläutern, welche Bedeutung die einst als «rote Kaderschmiede» bezeichnete Universität Bremen im Kontext des Projekts einer demokratischen Hochschulreform hatte und an welche Grenzen dieses Projekt gestoßen ist. Rudolf Hickel wird näher auf die umfangreiche und intensive Arbeit von Jörg Huffschmid im Bereich der Wirtschaftswissenschaft eingehen. Dabei stehen seine Beiträge zur Weiterentwicklung der Politischen Ökonomie auf den Grundlagen der von Marx vorgelegten Anatomie des Kapitalismus sowie sein Pionierwerk «Politische Ökonomie der Finanzmärkte» im Mittelpunkt. Es geht auch um die 1975 mit der Gründung der «Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik (AAW) von der Universität Bremen aus gestartete Kritik der «Mainstream Economics» durch eine sozial und ökologisch verantwortliche, interdisziplinär ausgerichtete und empirisch fundierte Wirtschaftswissenschaft.

  • Die Laudatio zu der Arbeit von Marie Grasmeier hält Prof. Dr. Heide Gerstenberger.
  • Die Laudatio zu der Arbeit von Madelaine Moore hält Prof. Dr. Laura Horn (Universität Roskilde).
  • Die Laudatio zu der Arbeit von Simon Schaupp hält Dr. Thomas Sablowski (Rosa-Luxemburg-Stiftung).
  • Die Preisverleihung wird moderiert von Prof. Dr. Birgit Mahnkopf (Institute for International Political Economy, Berlin).

Für die Teilnahme an der Veranstaltung bitten wir um Anmeldung bei Thomas Sablowski, thomas.sablowski@rosalux.org.