Krise, Staat und emanzipatorische Intervention

Donnerstag, 26. März 2009, 20 Uhr, Infoladen Bremen, St. Pauli-Str.
10-12, 28203 Bremen

Diskussionsveranstaltung mit Heide Gerstenberger und John Kannankulam

In Zeiten der aktuellen Krise, die nicht nur eine Finanzkrise, sondern auch eine Legitimationskrise einer bislang hegemonialen neoliberalen Herrschaftsstrategie ist, werden verschiedene Varianten staatlicher Intervention diskutiert. Die Veranstaltung soll nun einerseits die verschiedenen Interventionsmöglichkeiten des Staates vorstellen,
andererseits aber auch die Konsequenzen diskutieren, welche die Krise und staatliches Krisenmanagement für eine emanzipatorische Praxis der Linken haben. So bietet die aktuelle Krise als Übergangsphase zwischen einer diskreditierten neoliberalen Herrschaftslegitimation und einer noch nicht durchgesetzten neuen Regulationsstrategie das Potential, einer marxistischen Kritik der herrschenden Verhältnisse eine größere
Resonanz zu bieten. Daher wäre es eine Form von emanzipatorischer Intervention, in verschiedenen Bewegungen und Debatten den Horizont der Auseinandersetzung zu erweitern. Also statt um über mehr oder weniger Keynesianismus oder alternative Konjunkturprogramme zu diskutieren stärker für Verhältnisse zu streiten, die der Befriedigung der menschlichen Bedürfnisse und nicht der permanenten Kapitalakkumulation
dienen.

In der gegenwärtigen Krise manifestieren sich aber auch verstärkt Tendenzen, die mit den Worten des marxistischen Staatstheoretikers Nicos Poulantzas als „autoritärer Etatismus“ beschrieben werden können und sich durch den Abbau sozialstaatlicher Standards und die Zunahme staatlicher Überwachung und Repression auszeichnen. Eine weitere
notwendige linke Intervention wäre daher eine Kritik dieser autoritären Entwicklungen wie auch diverser nationalistischer und religiöser Bewegungen, die an einen starken Staat als Retter in der Krise appellieren. Und zu guter letzt bedarf es angesichts der Karikaturen,
die der bürgerliche Feuilleton im Moment von Karl Marx zeichnet, auch einer Aufklärung und Kritik, welche die Aktualität der Marxschen Kritik der politischen Ökonomie als fundierter Analyse von Staat und Kapital adäquat vermittelt und verbreitet. Gerade der internationale Charakter der Krise stellt eine Herausforderung für eine materialistische Staatskritik dar, über den Rahmen des nationalen Staates hinauszudenken und neue Formen der Kritik und Intervention zu entwickeln.

John Kannankulam ist Lehrbeauftragter an den Universitäten Frankfurt am
Main und Marburg. Er ist Autor von unter anderem: Autoritärer Etatismus
im Neoliberalismus. Zur Staatstheorie von Nicos Poulantzas, Hamburg 2008
und gemeinsam mit Joachim Hirsch und Jens Wissel Herausgeber von: Der
Staat der Bürgerlichen Gesellschaft. Zum Staatsverständnis von Karl
Marx, Baden-Baden 2008. Zu mehr Informationen siehe: www.kannankulam.de

Heide Gerstenberger ist Professorin für Wirtschaftswissenschaften an der
Universität Bremen und Mitherausgeberin der Reihe Theorie und Geschichte
der bürgerlichen Gesellschaft im Verlag Westfälisches Dampfboot.
Veröffentlichungen zum Thema unter anderem:Die subjektlose Gewalt. Theorie und Entstehung bürgerlicher Staatsgewalt, Münster 2006 (Erstauflage 1990); Fixierung und
Entgrenzung. Theoretische Annäherungen an die politische Form des Staates, in: Prokla Nr. 147, 2007, S. 173-198.

Eine Veranstaltung der Rosa Luxemburg Initiative Bremen in Kooperation
mit „associazione delle talpe“.