Die unbekannte Rosa Luxemburg: »Nationalitätenfrage und Autonomie«
Vortrag und Diskussion mit Holger Politt (Warschau)
Mittwoch, 06. März 2013, um 19:30 Uhr
Villa Ichon, Goetheplatz 4, 28203 Bremen
Zusätzlicher Termin dieser Veranstaltung in Bremerhaven am 30. Mai.
Rosa Luxemburg, geboren am 5. März 1871 in Zamość in Polen, am 15. Januar 1919 in Berlin ermordet, war eine Führerin der deutschen Arbeiterbewegung und Mitbegründerin der KPD. Sie stritt an der Seite von Clara Zetkin und Karl Liebknecht gegen Krieg und Militarismus, für einen klassenbewussten Internationalismus und für den Sozialismus.
Die Schrift »Nationalitätenfrage und Autonomie«, von Rosa Luxemburg 1908/09 verfasst, ist ihre wichtigste polnische Arbeit. Darin bündeln sich viele Themen, die zuvor bereits angerissen oder aufgeschlagen wurden. Es ist somit eine für Rosa Luxemburgs Arbeitsweise typische Arbeit. In erster Linie bespricht sie in dieser Schrift die Frage der Autonomie für das zu Russland gehörende Königreich Polen und setzt sich hartnäckig mit dem von Lenin bereits 1903 ins Spiel gebrachten Selbstbestimmungsrecht der Nationen auseinander. Letzteres hielt sie unter den gegebenen Bedingungen für eine Fiktion, verglich es mit dem Recht, von goldenen Tellern essen zu dürfen. Wegen dieses Streites mit Lenin wurde die Schrift hauptsächlich aus ideologischen Gründen im Verlauf der Rezeptionsgeschichte einfach beiseite gedrängt. Vorschub leistete dabei das Argument, Rosa Luxemburg habe sich sowieso in der komplizierten Nationalitätenfrage ihrer Zeit unrettbar verstrickt. In dieser Schrift findet die Leserin / der Leser einen breiten Zugang zum Staatsverständnis Rosa Luxemburgs und zu ihrem Verständnis von Grenzen und Möglichkeiten der bürgerlichen Gesellschaft und Demokratie.
Dr. Holger Politt, Warschau und Berlin, arbeitet bei der Rosa Luxemburg Stiftung als Referent für editorische und historische Arbeit zu Rosa Luxemburg. Er war von 2003 bis 2009 Leiter des Warschauer Büros der Rosa Luxemburg Stiftung und beschäftigt sich in der Folge mit den polnischen Schriften Luxemburgs, welche zu großen Teilen noch nicht ins Deutsche übersetzt sind und seit ihrer Erstveröffentlichung in der zeitgenössischen polnischen Presse nicht wieder verlegt wurden.
Eine Veranstaltung der Rosa-Luxemburg-Initiative – Die Rosa-Luxemburg-Stiftung in Bremen in Kooperation mit der Masch Bremen – Forum für Politik und Kultur.
Das Buch zur Veranstaltung:
Rosa Luxemburg
»Nationalitätenfrage und Autonomie«
Herausgegeben und aus dem Polnischen übersetzt von Holger Politt
Dietz Berlin 2012
302 Seiten, Klappenbroschur
24,90 Euro, ISBN 978-3-320-02274-7
Bis heute ist Rosa Luxemburgs bekannteste Schrift, das Fragment »Zur russischen Revolution« (1918), in dem sie prinzipielle Kritik an den Bolschewiki übte, heftig umstritten. Vielfach wurde – nicht selten wider besseren Wissens – behauptet, dieses Manuskript stehe nicht im Zusammenhang mit dem Werk Rosa Luxemburgs. Es sei den ungünstigen Umständen während ihrer Haft geschuldet und im Sturmlauf der Novemberrevolution von ihr ohnehin widerrufen worden. Die zehn Jahre zuvor verfasste Arbeit »Nationalitätenfrage und Autonomie« zeigt das Gegenteil: Von ihr führt eine direkte Linie zum Text »Zur russischen Revolution«, er steht am Ende einer Entwicklung des politischen Denkens von Rosa Luxemburg, für die Sozialismus ohne politische Freiheit kein Sozialismus war. In der bis heute weitgehend unbekannten Schrift «Nationalitätenfrage und Autonomie» setzt sich Rosa Luxemburg vor allem mit den Positionen Lenins zum sogenannten Selbstbestimmungsrecht der Nationen auseinander. Ihre Überlegungen können auch Anstöße geben für aktuelle Debatten um die Zukunft Europas.
In den Ländern des Realen Sozialismus ist die Schrift »Nationalitätenfrage und Autonomie« nicht erschienen. 1908 als Artikelfolge auf Polnisch verfasst, wurde sie auf Deutsch bislang nur in – oftmals entstellenden – Auszügen publiziert. In dem hier vorgestellten Buch »Nationalitätenfrage und Autonomie« des Dietz Verlages Berlin – herausgegeben und aus dem Polnischen übersetzt von Holger Politt – wird sie erstmalig vollständig vorgelegt. Es bietet insofern einen neuen Schlüssel zu Rosa Luxemburg und ihrem Werk.
Rezensionen:
Gerd Kaiser, in: Das Blättchen, www.das-blaettchen.de (02.2013)
Michael Vollmer, in: Portal für Politikwissenschaft, www.pw-portal.de (01.2013)