Die PDS im Westen 1990 bis 2005 – Schlussfolgerungen

Donnerstag, 29.06.2006:
Die PDS im Westen 1990 bis 2005 – Schlussfolgerungen für eine neue Linke.
Vortrag von Meinhard Meuche-Mäker sowie Diskussion mit Murat Çakir

19.30 Uhr, Villa Ichon (Raum 5), Goetheplatz 4, Bremen

Von Anfang an wurde der PDS in den westdeutschen Bundesländern keine Entwicklungschance eingeräumt. Beobachter unterschiedlicher politischer Couleur konstatierten immer wieder das Scheitern der PDS im Westen. Auch als die Einschätzung, die ostdeutsche PDS sei lediglich ein Übergangsphänomen, ad acta gelegt wurde, änderte sich daran nichts Wesentliches. Diese Bewertungen in Rechnung gestellt, hat sich die westdeutsche PDS relativ lange als politisch handlungsfähige Organisation behauptet, wenn auch auf niedrigem Niveau, und zumindest spärliche Erfolge vorzuweisen.

Der Politikwissenschaftler Meinhard Meuche-Mäker (Hamburg) hat eine Studie über 15 Jahre PDS im Westen verfasst und kommt zum Ergebnis, daß die PDS ihre grundlegenden Ziele in den westdeutschen Bundesländern nicht erreicht hat. Es ist ihr nicht gelungen, die Partei in den westdeutschen Bundesländern in dem notwendigen Umfang aufzubauen, dass sie aus sich selbst heraus existenzfähig gewesen wäre. Sie ist in der Gesellschaft weitgehend nicht akzeptiert und hat keinen ausreichenden elektoralen Zuspruch erhalten.

Externe wie interne Ursachen dieses scheinbaren Scheiterns lassen sich bis in die Gründerzeit der PDS zurückverfolgen. Auch wenn die Misere in der Vergangenheit unübersehbar gewesen ist, haben erst die politischen Veränderungen in jüngster Zeit die Existenzbedingungen der PDS in den westdeutschen Bundesländern grundlegend verändert. Einerseits ist das Entstehen einer neuen, linken Partei, der »Wahlalternative für Arbeit und soziale Gerechtigkeit« zu sehen. Die WASG machte der PDS in Westdeutschland den Platz als Protestpartei gegen die unsoziale Politik der neoliberalen Parteien erfolgreich streitig. Andererseits sind die veränderten strategischen Überlegungen führender PDS-Politiker zu sehen. Seit 1990 war die Notwendigkeit und die Möglichkeit der Entwicklung der PDS in den westlichen Bundesländern eine alternativlose Prämisse der PDS-Entwicklung. Mitte 2004 konstatierte Gregor Gysi: „Das Hauptproblem ist unsere mangelnde Akzeptanz im Westen. … Wenn die Menschen im Westen unzufrieden mit der SPD sind, dann kommen die allerwenigsten auf die PDS. … Wir müssen uns darüber im Klaren sein, daß wir nicht in der Lage sind, dieses Defizit im Westen auszufüllen.“

Seit 2005 hat eine rasante Veränderung im politisch-parlamentarischen Raum stattgefunden: nach vorgezogenen Neuwahlen bildet die Große Koalition jetzt auch formal die neue Regierung und »Die Linke« hat eine Bundestagsfraktion, deren Co-Vorsitz der ehemalige Parteivorsitzende der PDS, Gregor Gysi, und der ehemalige Parteivorsitzende der SPD, Oskar Lafontaine, gemeinsam übernommen haben.

Im derzeit stattfindenden Neuformierungsprozeß der demokratischen Linken macht es doppelt Sinn, sich mit der PDS in den westdeutschen Bundesländern auseinanderzusetzen: Weshalb ist die PDS im Westen nicht erfolgreich gewesen? Wer die Ursachen, also gewissermaßen die großen Schwächen und die kleinen Stärken der PDS in den westdeutschen Bundesländern näher kennt, könnte Schlußfolgerungen ziehen, die im Neuformierungsprozeß von Nutzen sind. Die kulturelle Fremdheit der PDS im Westen korrespondiert mit dem Beharrungsvermögen großer Teile der westdeutschen Linken. Wer zukünftig zusammenarbeiten, gar ein gemeinsames, solidarisches und tragfähiges Projekt entwickeln will, sollte daran interessiert sein, gegenseitige Fremdheit und Unkenntnis abzubauen.

Murat Çakir (Berlin und Kassel) ist Mitgründer und ehemaliges Bundesvorstandsmitglied der WASG, inzwischen Pressesprecher der Rosa-Luxemburg-Stiftung, und wird aus seiner Sicht die Thesen von Meinhard Meuche-Mäker kommentieren. Vor der WASG war er Bundesvorsitzender der türkischen Immigrantenvereine Deutschlands (GDF) und Bundesvorsitzender der Ausländerbeiräte Deutschlands.

Die Studie „Die PDS im Westen 1990-2005. Schlussfolgerungen für eine neue Linke“ erschien 2005 im Karl Dietz Verlag Berlin und ist auch online unter www.rosalux.de/cms/index.php?id=10661 abrufbar.