Ich krieg die Krise – Der Staat rettet den Kapitalismus

2. Dezember 2008, 19.30 Uhr, Konsul-Hackfeld-Haus (Birkenstraße 34, 28195 Bremen), grosser Clubraum

mit Dr. Mario Candeias
Die Krise ist da, es kracht im Gebälk des Kapitalismus, es reißen die Netze, stocken die Ströme des globalen Tauschs. Hektisch werden weltweit Rettungspakete geschnürt, um die Finanzmärkte vor dem Kollaps zu bewahren. Die Regierungen und Finanzminister, die uns seit Jahren predigen, dass wir es sind, die zahlen sollen, weil kein Geld da sei, mobilisieren unerhörte Summen für das Krisenmanagement. Unter denen, die auf den Verkauf ihrer Arbeitskraft oder auf Sozialleistungen angewiesen sind, verbreitet sich die Ahnung, dass sie es sind, die die „Rettung der Banken“ bezahlen werden. Die Krise weitet sich aus, trifft nicht nur die Finanzmärkte, sondern die ganze kapitalistische Ökonomie. Ob aus dieser Wirtschafts- eine Legitimationskrise nicht nur des Neoliberalismus, sondern auch des Kapitalismus wird, ist eine der Fragen, die sich stellt. Was für ein Unterschied zu den 1990er Jahren, als der Zusammenbruch der Sowjetunion neoliberale Ideologen vom „Ende der Geschichte“ und der ewigen Herrschaft des Kapitals träumen ließ. Allerdings: noch ist die weitere Krisendynamik unklar. Das Krisenmanagement der Regierungen zielt nicht darauf ab, das System der aufgeblähten Finanzmärkte, grundlegend zu ändern. Doch eine Kritik greift zu kurz, die jetzt nur auf mehr Regulation, Finanzaufsicht und eine Einhegung der internationalen Finanzmärkte setzt. Eine Krise des Systems eröffnet immer auch die Chance für befreiende politische Interventionen. Eine erste Antwort auf die Frage „Was tun?“ liegt darin, der Logik des Kapitals die eigenen Bedürfnisse entgegenzusetzen. Es reicht jedoch nicht Abwehrkämpfe zu führen. Werden die von der kapitalistischen Sachzwanglogik gesetzten Grenzen nicht überschritten, kommen wir über notdürftige Reparaturen nicht hinaus. Es wird letztlich darum gehen, durch die Vergesellschaftung des gesellschaftlichen Reichtums eine umfassende Sicherung des Sozialen selbst zu erreichen. Die Chancen und Möglichkeiten der Linken liegen darin, mit und in den sozialen Kämpfen und Bewegungen eine Debatte um die emanzipatorische Transformation der weltgesellschaftlichen Verhältnisse zu eröffnen und offensiv zu verbreitern. Dabei geht es nicht darum, den unmittelbaren Bevorstand der Revolution herbeizuträumen: das hieße, die fortwirkende Wandlungs- und Integrationsfähigkeit des Kapitalismus sträflich zu unterschätzen. Doch geht es darum, radikale Alternativen und Optionen der Überwindung der herrschenden Verhältnisse konkret zu machen und die Krise als Weckruf zu verstehen.

Mario Candeias ist Referent für Kapitalismusanalyse, Gesellschaftsentwicklung und Prekarisierung der Rosa Luxemburg Stiftung und Mitarbeiter des Berliner Institut für kritische Theorie

Veranstalter: Rosa-Luxemburg-Initiative in Kooperation mit der Redaktion alaska, NoLager Bremen/Transact und Avanti Bremen.

Hinweis: aktuelle Sonderseite der Rosa-Luxemburg-Stiftung zur Finanzmarktkrise, die neben neuen Publikationen aus der „Standpunkte“-Reihe – Rainer Rillling: „Finanzmarktkrise – Ende des Neoliberalismus? Und die Linke?“ und Mario Candeias: „Finanzkrise und neuer Staatsinterventionismus“ – weitere interessante Links zu Vorträgen (oft als mp3 zum Download), Veranstaltungen und weiteren Publikationen zum Thema bereit hält: