Nationale Befreiung oder Befreiung von der Nation?
Freitag, 16. März 2012 / 20 Uhr / Infoladen / St. Pauli-Str. 10-12 / 28203 Bremen
mit Thorsten Mense (Göttingen)
Reihe „intros. Einführungen in kritische Gesellschaftstheorie“
Wenn man die alltägliche Gewalt und die historischen Massengräber des Nationalismus betrachtet, verwundert es, dass es auch heute noch linke Bewegungen gibt, die im Nationalismus das Instrument zur Befreiung sehen. Tatsächlich stand – im bürgerlichen Sinne – hinter dem Konzept der Nation historisch auch eine emanzipatorische Idee: Es ging es darum, Untertan_innen unabhängig von Herkunft und Stand zu gleichen und freien Subjekten zu machen, die sich im freiwilligen Zusammenschluss eine rationale politische Ordnung geben. Bekanntermaßen ist daraus nichts geworden. Stattdessen wurde das revolutionäre Element des Nationalismus für die demokratische Transformation der Gesellschaft schon bald von kulturalistischen und rassistischen Grenzziehungen im Namen der Nation verdrängt. Nationalismus wurde zur ideologischen Grundlage für die Legitimation des Ausschlusses und der Gewalt gegenüber den „Anderen“. Als Zwangskollektiv lässt das Konstrukt der Nation dabei auch die „Eigenen“ nicht in Ruhe. Diese Entwicklung liegt in der Sache selbst begründet. Nationalismus stellt keine Kritik an den herrschenden Verhältnissen dar – sondern ist selber ein Teil von ihnen.
In dem Vortrag wird es um Geschichte und Funktion des Nationalismus gehen, mit Fokus auf die (vermeintlich) linken Varianten und ‚Nationalen Befreiungsbewegungen‘. Dabei ergeben sich viele Fragen: Wer soll hier eigentlich von wem befreit werden? Hat revolutionärer Nationalismus mit der Einrichtung der Nationalstaaten nicht sein Emanzipationsversprechen verloren? Was bedeutet es, wenn baskische Kommunist_innen und deutsche Nazis beide ein „Europa der freien Völker“ fordern?
Thorsten Mense ist freier Autor (Jungle World, Konkret) und beschäftigt sich mit der Frage, warum sich der Kampf um Befreiung so oft gegen die Befreiung wendet. In seiner Promotion untersucht er die linksnationalistischen Bewegungen in Katalonien und im Baskenland aus einer ideologiekritischen Perspektive.
Die Veranstaltung wird organisiert in Kooperation mit associazione delle talpe.